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Die Digital Analogue 2018 in Hildesheim

Digitalisierung: Verpassen wir den Anschluss?

Ein Bericht von der Konferenz Digital Analogue in Hildesheim

Nein, ein optimistisches Bild war es nicht, das Dr. Mark Thom, bei Sony Mobile für die Investitionen in Start-Ups zuständig, zeichnen mochte. Kurz gesagt sieht er die Felle Europas und Deutschlands davonschwimmen. Thom war einer der Hauptredner am Eröffnungstag der Konferenz Digital Analogue, die von PIKON-Aufsichtsrat Dirk Hahnrath und seinen Mitdenkern von den Digital-Pionieren erstmals veranstaltet wurde.

Mark Thom wollte wachrütteln und vor allem auf zwei Missstände hinweisen. Zum einen auf die fehlenden Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld und bei der Bildung. Obwohl die digitale Kommunikation uns immer mehr verändert, sieht er wenig Fortschritt beim digitalen Fortschritt in Gesellschaft, Schule und Hochschule. Er sieht dafür vor allem auch die Politik in der Verantwortung, die die Chancen und Risiken der Digitalisierung kaum richtig versteht, geschweige denn die richtigen Maßnahmen einleitet. Und das ist dann die Ursache für ein zweites Problem, nämlich, dass die „großen“ digitalen Ideen nicht in Deutschland oder Europa, sondern in den USA oder beispielsweise Israel entstehen. Dort scheinen die Menschen, die Schüler, Unternehmer und Arbeitnehmer den digitalen Pioniergeist eher verinnerlicht zu haben. Während wir in Deutschland an klassischen Geschäftsmodellen mit klassischen Produkten und Leistungen festhalten entstehen anderenorts zum Beispiel datengetriebene Geschäftsmodelle der neuen Art.

Der Mensch als „analoger Teil“ der digitalen Chance

Sind wir in Deutschland zu bequem, um Neues konsequent zu denken? Verführt uns der Erfolg, der sich ja gerade wieder in einer starken Wirtschaft zeigt, dazu, den Anschluss an die Züge zu verlieren, die in Richtung Zukunft fahren? Denken wir zu stark in gewohnten Bahnen? Haben wir Denkmuster automatisiert, die immer neue Auslaufmodelle hervorbringen, die allenfalls noch in einer Zwischenphase Erfolg versprechen?

Und damit sind wir beim Titel der Konferenz. Viele fragen mich: Was bedeutet Digital Analogue? Nun, die Veranstalter lassen uns zunächst damit (bewusst?) ein wenig im Unklaren. Wer aber, wie ich, die Veranstaltung erlebt hat, spürt den Geist der digitalen Pioniere sehr schnell: Als Menschen verkörpern wir sozusagen den analogen Teil des Konferenz-Titels. Es kommt auf uns an, ob wir die vielzitierten und beschworenen digitalen Chancen nutzen können oder ob wir die Zukunft verschlafen. Insofern ist die Konferenz auch ein Wachrüttler für die eigene Reflexion. Wo stehen wir und wo gehen wir hin?

Umsetzung der Digitalisierung in unterschiedlichen Unternehmen

Und darauf gab es durchaus spannende Antworten. Zum Beispiel die von Dr. Anja Schulz, Vice President bei Wilo Pumpen in Dortmund. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, der digitale Champion der Branche zu werden. Die Digitalisierungs-Philosophie des Dortmunder Unternehmens begreift die Digitalisierung als Konnektivität von Produkten, Prozessen, Menschen und Systemen. Aufbauend darauf hat man über 45 Digitalisierungsprojekte initiiert, in denen Neues gedacht, konzipiert und implementiert wird. Ich finde diesen Ansatz hochspannend – durchaus auch im Kontrast zu den eingangs zitierten Aussagen von Sony-Vordenker Thom: Bei Wilo versucht man alles vor Grund auf neu zu denken. Allerdings ausgehend von einem eher klassischen Produkt. Mir scheint dies ein erfolgversprechender Ansatz zu sein. Und wer weiß, wie das Geschäftsmodell von Wilo in 10 Jahren aussehen wird. Das Unternehmen stellt sich der Veränderung, nimmt Mitarbeiter mit auf die Reise und öffnet sich damit der Zukunft. Keine schlechte Voraussetzung für künftigen Erfolg.

Ein weiterer super-spannender Impuls kam von Dominik Groenen vom Start-Up-Lab. Selbst Gründer eines Unternehmens, das die Prozesse im Maklergeschäft von Versicherungen neu gedacht und entsprechende Apps dafür entwickelt hat, ist seine Mission heute, Bedingungen zu schaffen, in denen Start-Ups erfolgreich sein können. Kein Wunder, dass man in Hildesheim froh ist, dass er sich in der Region niedergelassen hat. Er sieht in der Kooperation von klassischen Unternehmen und Start-Ups eine große Chance. Klassische Unternehmen können den Newcomern Zugang zu Märkten und Kunden bieten. Und damit eine Vertrauensbasis bieten, die ansonsten über viele Jahre aufgebaut werden muss. Umgekehrt bieten Start-Ups etablierten Unternehmen den Zugang zu frischem Denken, das nicht durch ein automatisiertes Vorgehen behindert wird, das sich in langen Traditionen entwickelt hat. Groenen zeigte aber auch auf, wie schwer sich Unternehmen damit tun, wenn die Kultur eines Gründer-Unternehmens auf die Kultur eingesessener Unternehmen trifft. Fazit: Es braucht Menschen, die beides miteinander verbinden, damit aus etablierten Organisationen schnell neue Unternehmen werden mit guten Zukunftsaussichten. Wilo ist da ein gutes Beispiel.

Für Martin Kind von KIND Hörgeräte und auch Vorstandsvorsitzender des Bundesligavereins Hannover 96 ist ebenfalls klar, dass etablierte Unternehmen ihre Kultur verändern müssen, damit sie in Zukunft erfolgreich sein werden.

Im Rahmen des Vortrages von Martin Kind stellte Torsten Weber von KIND Hörgeräte die Digitalisierungsprojekte im Einzelnen vor. Es wurde deutlich wie die Erfassung der Daten zu den Kunden vor Ort in den Geschäften unmittelbar in die digitale Fertigung eingehen, die teilweise schon auf 3D-Druck beruht. Verändert hat sich aber auch das Einkaufs-Erlebnis des Kunden vor Ort, der unterstützt durch digitale Technologie schnell beim Finden des richtigen Hörgerätes oder der richtigen Brille (in diesem Markt expandiert das Unternehmen derzeit sehr stark). Obwohl KIND Hörgeräte auf dem Gebiet sehr erfolgreich ist und obwohl das Unternehmen eine sehr dynamische Unternehmenskultur mit hochengagierten Mitarbeitern verfügt (das spürt jeder, der, wie ich, schon einmal zu Gast bei KIND Hörgeräte war), betonte Martin Kind auch auf der Konferenz wie wichtig es ist, sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Martin Kind verfolgte die Vorträge non Dr. Mark Thom und Dominik Groenen mit sichtbar großem Interesse. Auch anschließend in der von Helge Sanden von IT-Onlineportal moderierten Podiumsdiskussion führten wir eine sehr angeregte Diskussion vor allem darüber wie sehr sich die Kultur in Unternehmen aber auch in unserem Land verändern muss. Veränderungen in der Kultur sind also notwendig, weil die bisherigen Werte, Organisation oder Führung falsch gewesen wäre, sondern weil Wandel die Konstante ist und ein Unternehmen es schaffen muss, seine Mitarbeiter auf diesem Weg nicht nur mitzunehmen, sondern diese zum Gestalter des Wandels werden zu lassen.

Podiumsdiskussion auf der Digital Analogue

Fazit: Mit Selbstreflektion, Veränderungswillen und Kreativität in die Digitalisierung

Zum Schluss komme ich zurück auf die eingangs zitierten Überlegungen von Dr. Mark Thom zu der von mir gestellten Frage, ob wir den Anschluss verpassen. Ich komme zu der Überzeugung, dass klassischen Unternehmen – und mit solchen haben wir ja in der PIKON in der Regel zu tun, nichts anderes übrigbleibt als ihre eigenen Selbstverständlichkeiten (Strategie, Märkte und Produkte, Prozesse, Systeme) gemeinsam mit den Führungskräften und Mitarbeitern zu hinterfragen und zu reflektieren. Sehr einfach können Sie das übrigens mit dem PIKON-Fragebogen zu Digitalisierung tun. Je gründlicher diese Reflektion stattfindet und je konsequenter man Maßnahmen daraus ableitet, umso größer ist die Erfolgschance – siehe Wilo oder KIND.

Der Veränderungswille in den vorhandenen Unternehmen ist also notwendig aber nicht ausreichend. Mindestens langfristig, also über das Jahr 2025 hinaus, müssen wir die Rahmenbedingungen für Start-Ups und Querdenker verändern. Kreativität ist dabei eine Kernkompetenz. Gerade aber über diese Kreativität verfügen häufig diejenigen Typen, die eher nicht stromlinienförmig sind. Und die tun sich nicht nur in Unternehmen sondern auch in der Schule häufig schwer. Da sollten wir als Gesellschaft ansetzen.

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Über den Autor
Jochen Scheibler
Jochen Scheibler
Jochen Scheibler ist Mitbegründer und Chief Executive Officer der PIKON Deutschland AG. Er ist Autor des Praxishandbuchs "Vertrieb mit SAP S/4HANA“. In den letzten Jahren hat er seinen Fokus auf das Thema Kommunikation verlagert und die Strategie von PIKON in Richtung 3-Punkt-Beratung entwickelt.

1 Gedanke zu „Digitalisierung: Verpassen wir den Anschluss?“

  1. Hallo Jochen,
    habe gerade Deinen tollen Blockbeitrag gelesen und finde Deine Zusammenfassung mehr als gelungen.
    Ich freue mich auf weitere gemeinsame Taten!!!
    Dirk
    Auch liebe Grüße von Michael

    Antworten

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